Niemand lebt in Markgröningen oder zieht gar hierher, weil er den kürzesten Anschluss an die Autobahn oder die direkteste Anbindung nach Stuttgart sucht. Markgröningen steht für andere Werte: eine historische Altstadt und eine direkt zugängliche wunderbare Landschaft. Das Naturschutzgebiet Leudelsbachtal mit seinen grünen Hängen und Wiesen und der Rotenacker Wald dient nicht nur den Markgröningern zur Naherholung, sondern auch vielen natursuchenden Spaziergängern aus Nah und Fern. Mit wenigen Schritten in der Natur sein zu können, das ist es, was Markgröningen so lebenswert macht; das ist der Unterschied zur Großstadt und zu gesichtslosen Schlafsiedlungen – deshalb leben wir hier!
Die Verkehrsreduzierung im Westen der Stadt soll durch die Verlärmung der Wohngebiete im Norden und die Zerstörung einer Naherholungslandschaft, angrenzend an das Landschaftsschutzgebiet Leudelsbachtal und das Naturschutzgebiet Rotenackerwald, sowie durch die Aufsiedlung neuer Flächen im Norden Markgröningens „bezahlt“ werden. In Wirklichkeit wird also Verkehrsbelastung nicht reduziert, sondern nur verlagert und zusätzlich neuer Verkehr angezogen.
Wir bekommen Angst, wenn wir hören was geplant ist und welche Folgen dies haben wird:
1. Massive Störung eines intakten Naturraumes
- Die Weiterführung der Ostumfahrung von der Tammer bis zur Unterriexinger Straße (=Nordumfahrung) soll entlang eines ausgewiesenen Landschaftsschutzgebietes
verlaufen. In unmittelbarer Umgebung befinden sich Teile des FFH-Gebiets „Strohgäu und unteres Enztal“ (Schutzgebiets-Nr. 7119341). Mit bedenklichen landschaftlichen, natur- und
artenschutzrechtlichen Eingriffen muss gerechnet werden.
- In die Schutzgüter Boden, Wasser, Landschaftsbild, Arten- und Biotopschutz wird in großem Maßstab erheblich und nachhaltig eingegriffen.
- Teile des Naturschutzgebiets Leudelsbachtal und des Landschaftsschutzgebiets „Enztal zwischen dem Leinfelder Hof und Bietigh.-Bissingen“ werden verlärmt und
erheblich mit Abgasen belastet.
- Es wird im großen Umfang zur Flächenversiegelung und der erneuten Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen durch Straßenbau kommen. Zur Finanzierung der Straße
müssen zusätzliche Gewerbe- und Wohnbauflächen angesiedelt werden. „Markgröningen ist ohnehin beim Thema Flächenverbrauch Spitzenreiter in der Region. Ausgewiesene Grünzüge müssen daher auch und
gerade in Markgröningen ein absolutes Tabu sein.“ (BW-LTA Jürgen Walter, 15.2.2010). Den Entscheidungsträgern sollte deshalb bewusst werden, dass die Markgröninger Verkehrsprobleme nicht
reflexhaft durch den Bau neuer Straßentrassen gelöst werden können. Der hemmungslose Flächenverbrauch muss gestoppt werden.
- In dem noch intakten Naturraum kann man viele seltene, auch besonders und streng geschützte Tierarten finden: Feldlerche, Schafstelze, Wendehals, Pirol,
Gartenrotschwanz, Stieglitz, Mittelspecht, Neuntöter, Feldschwirl, Mehlschwalbe, Goldammer, Sperber, Kauz. Igel und Haselmäuse kommen bis in die angrenzenden Gärten – auch Feuersalamander, die
hier oberhalb des Leudelsbachtals ihr Jagdrevier haben. An den Rainen am Wasserturm und Taler Weg wohnen Schlingnattern und Zauneidechsen. Es gibt ein artenreiches Vorkommen von Schmetterlingen,
die Fortpflanzungsstätten des Großen Feuerfalters (Lyxaena dispar) wurde auf einer Grünlandparzelle gefunden. In alten Obstbäumen findet sich der Eremit, eine stark gefährdete Käferart. In
Sommernächten kann man hier unzählige Fledermäuse auf ihrer Flugschneise aus der Stadt über den Flauche in ihr Jagdgebiet am Leudelsbach beobachten.
- Ein deutlich über den Bereich der vorgesehenen Straße hinausgehender Korridor ökologisch wertvoller Lebensräume für Pflanzen und Tiere mit Streuobstwiesen,
trockenwarmen Heckenstrukturen und Wiesen wird zerschnitten und aus dem Biotopverbund abgetrennt (Biotop Nr. 170201183615).
- Beste Ackerböden von sehr guter Qualität werden zerstört, die verbleibenden stark belastet.
2. Eingriffe in ein beliebtes Naherholungsgebiet
- Ein siedlungsnahes und sehr beliebtes Naherholungsgebiet wird abgeschnitten und verlärmt. Keine guten Aussichten für die vielen Jogger, Spaziergänger und
Hundebesitzer!
- Schulklassen und Kindergartengruppen benützen häufig den gefahrlosen barrierefreien Zugang zum Leudelsbachtal und zum Rotenacker Wald. Kinder aus den
Wohngebieten spielen hier, erkunden selbständig die Natur und fahren am Flauche Schlitten. Es ist der letzte Freiraum weit und breit, in dem sich Kinder sorglos in der Natur bewegen können. Die
Nordumfahrung wird dies unmöglich machen.
- In Jahrhunderten gewachsene und tief im Bewusstsein der Stadtbewohner verankerte Landschaftselemente wie z. B. der schützenswerte Hohlweg „Taler Weg“ werden im
Bereich der Querung ihren bisherigen Charakter verlieren und zur Restfläche der Straßenplanung degradiert werden.
3. Stadtklima
- Die Frischluftzufuhr für die nördlichen Stadtteile wird beeinträchtigt. Die Überhitzung der Straße wird im Sommer die nächtliche Abkühlung einschränken. Gerade
aber die sauerstoffreiche Luft aus dem Leudelsbachtal und dem Rotenacker versorgt große Teile der Stadt mit Frischluft. Abgase werden die Luft verschmutzen.
4. Verkehrslärm
- Durch die von der Stadt prognostizierten 6.600 Fahrzeuge in für Landstraßen typisch hoher Geschwindigkeit würde es erhebliche Lärmimmissionen in den
Naturschutzgebieten sowie den nördlichen Wohngebieten geben. Die Stadt hat deshalb – sicherlich nicht grundlos – am 22.6.2012 die Firma BIT Consult, Stuttgart, beauftragt, eine Machbarkeitsstudie
zur Entwicklung von Siedlungsflächen nördlich Markgröningens zu erstellen mit dem Ziel zu eruieren, ob „der Verkehrslärm das Wohnen unmöglich oder, durch erforderliche Schutzmaßnahmen, zu teuer
werden lässt“ und deshalb nur ein Gewerbegebiet gebaut werden kann. Wir befürchten daher, dass der Verkehrslärm erheblich sein wird und bisher gesunde Wohnverhältnisse deutlich eingeschränkt
werden. Gegen die drohende Neuverlärmung wurde den Bewohnern der angrenzenden Häuser bereits Schallschutzfenster angeboten.
- Zudem erscheint uns der Nutzen für die Grabenstraße recht gering, da unserer Beobachtung nach der größte Teil des Feinstaub verursachenden Verkehrs durch
innerstädtischen Ziel-Quellverkehr entsteht oder von der Vaihinger Straße in die Münchinger Straße fließt. Die Umgehungsstraßen werden somit gar nicht erreicht. Daran wird auch die Nordumfahrung
auf der anderen Seite der Stadt wenig ändern. Ob die prognostizierte Verkehrsentlastung von ca. 30 Prozent überhaupt erreicht werden kann, erscheint mehr als fraglich. Werden Pendler und
Schwerlastverkehr die kürzeste Strecke oder einen kilometerweiten Umweg wählen? Auf der Ostumfahrung gibt es zu Stoßzeiten bereits keinen fließenden Verkehr mehr, sondern regelmässig Staus – der
versprochene Effekt ist gekippt, weil zusätzliche Verkehrsmengen angezogen werden. Wird dieser zusätzliche Verkehr sich seinen Weg bald wieder durch die Innenstadt suchen?
- Innerstädtischer Verkehrslärm wird nur von einem Ortsteil in einen anderen verlagert. Aber zusätzlicher Verkehr droht durch den beschlossenen Ausbau des
Gewerbegebiets Eichwald in Sachsenheim. Damit wird die als Umfahrung geplante Straße integraler Bestandteil einer zusätzlichen Nord-Süd-Verbindung parallel zu A 81 und B 27, die der
Schwerlastverkehr als kürzeste Direktverbindung nutzen wird! Den innerstädtischen Verkehr kann man mit Tempo 30 und LKW-Fahrtverbot in Schach halten, auf der Umfahrung geht das nicht. Da rauscht
der Verkehr dann gnadenlos mit hoher Geschwindigkeit durch! Somit wird Markgröningen durch den Bau der Nordumfahrung nicht weniger sondern mehr Verkehr haben. „Wer Straßen baut, wird Verkehr
ernten.“
- Wir befürchten, dass die Nordumfahrung als parallele Entlastungsstraße zur staugeplagten B 10 ein weitaus höheres Verkehrsaufkommen provozieren wird. Dabei entstünde auch eine zusätzliche Verkehrsbelastung in Unterriexingen, dessen Durchfahrtsstraße zum Nadelöhr des Verkehrsflusses wird. Als Folgeprojekt der absehbaren großen Belastung wird die Umfahrung Unterriexingens durch einen weitgehend naturbelassenen Abschnitt der Enzauen praktisch erzwungen.
Ortsumfahrungen sind Scheinlösungen, und führen nicht zu spürbaren Verbesserungen. Statt einer teuren Nordumfahrung brauchen wir in Markgröningen und Unterriexingen einen besseren ÖPNV-Anschluss und für die Zukunft ein umfassendes Mobilitätskonzept.